Döllinger, Ignaz von, katholischer
Theologe und Historiker (1799-1890), Prof. an der Univ. München.
Ursprünglich einer der Führer der Ultramontanen in der Paulskirche,
wandte er sich später immer mehr gegen das Infallibilitätsdogma
(die Unfehlbarkeit des Papstes), bis er schließlich 1871 exkommuniziert
wurde. Ähnlich wandelte sich seine Stellung zum Judentum. Während
er 1846 als bayerischer Landtagsabgeordneter die Emanzipation der J.
bekämpfte und 1857 das j. Volk wegen seiner "in Hochmut wurzenden
Herzenshärte" als verworfen bezeichnete, spricht 1881 aus
seiner Münchener Akademierede über "Die J. in Europa"
der liberalisierende J.-freund: Das mittelalterliche Schicksal der J.
sei verursacht durch eine "Hybris, gemischt aus religiösem
Fanatismus, gemeiner Habgier und instinktartiger Rassenabneigung".
Der mangelnde Gerechtigkeitssinn der Kirche und des Staates habe die
J. ins Ghetto geschlossen. Seit der Reformation aber dächten und
handelten die J. vielfach christlich; deshalb seien namentlich auch
Mischehen und Übertritte zum Christentum erfreulich häufig
geworden. So könne man die J. dieser Länder auch nicht für
den Schacher und Wucher ihrer noch am Talmud festhaltenden Glaubensgenossen
in Osteuropa verantwortlich machen. - Von D.'s Schriften betreffen das
Judentum: Rede über die Anträge, die Verbesserung der Verhältnisse
der isr. Glaubensgenossen betr., gehalten am 7. Mai 1846 (in: Drei Reden,
gehalten auf dem bayerischen Landtage 1846, S. 83ff.); Heidenthum und
Judenthum; Vorhalle zur Gesch. des Christenthums, 1857; Die Juden in
Europa (in: Akademische Vorträge I, 1889, S. 209ff.), Neudruck,
Berlin 1921 und 1924.
(Jüdisches Lexikon, Berlin 1927)
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